Der Graben zwischen dem Nationalgestüt und dem Freibergerverband ist grösser denn je zuvor

Nie war die Distanz zwischen dem Nationalgestüt und dem Schweizerischen Freibergerverband grösser als aktuell. Das hat die Hengstselektion im jurassischen Glovelier letzten Samstag deutlich gezeigt. Wer zuhört, merkt alsbald, dass dieser Graben ganz stark von falschen Erwartungen genährt wird. Ein Hauptproblem der Züchter scheint derzeit, dass das Gestüt am wichtigsten Anlass der Freibergerzüchter, der Hengstkörung in Avenches VD, die jeweils Anfang März stattfindet, keine Festwirtschaft mehr betreiben kann oder mag.

 

Es werden Dienstleistungen abgebaut

Eine von mehreren Erwartungen an den Bundesbetrieb, die anscheinend nicht mehr erfüllt werden. Was hat sich geändert? Seit Jahren fungierte doch das Gestüt als Dienstleister für die Züchterschaft und ihren Verband. Fünf Fahrer und fünf Bereiter arbeiten im Team Ausbildung Pferde. Die Hauptaufgaben dieser Mitarbeitenden seien die sorgfältige Ausbildung und Arbeit der Pferde unter dem Sattel, vor dem Wagen oder beim Holzrücken und bei anderen Einsatzmöglichkeiten. Aktuell soll es aber nicht einmal mehr möglich sein, ein Pferd in Avenches in die Fahrausbildung zu schicken, wie mehrere Züchter monieren.

 

Man gibt sich selbst Aufgaben

Stattdessen arbeitet das Nationalgestüt mit dem finanziellen Zustupf des Bundes in Höhe von mehreren Millionen Franken daran, den Freiberger zu erforschen. Es scheint fast so, als ob sich der Bundesbetrieb selbst Aufgaben gibt, die gar niemand in Auftrag gegeben hat. Oder wer will schon wissen, ob der Charakter des Pferdes mit jenem seines zukünftigen Besitzers übereinstimmt? Nennen wir ein anderes Beispiel: Auf der Suche nach einem Pferdetierarzt, der irgendwann in seinem Leben ein totes CLF-Fohlen gesehen hat, muss man langen Atem haben. Das Nationalgestüt hat diese Krankheit auf dem Freiberger gefunden und die Szene vor etwas mehr als zehn Jahren in Angst und Schrecken versetzt. Der Freibergerverband hat in der Folge (2011) beschlossen, sämtliche männlichen Träger der seltenen Erbkrankheit Caroli-Leberfibrose zu kennzeichnen und in Zukunft keine neuen Trägerhengste zu kören. Das Nationalgestüt kastrierte oder eliminierte seine eigenen CLF-Träger gar.

Heute ist das gleiche Gestüt selbst aber wieder im Besitz mehrerer Hengste, die nicht auf CLF testbar sind. Nicht testbar – was bedeutet das? So manchen Tierarzt interessiert die Antwort auf diese Frage nicht, die Krankheit habe keine Relevanz.

 

Den Auftag des Bundes gut erfüllt

Nun drehen wir den Spiess aber einmal um. Das Nationalgestüt ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Equiden innerhalb von Agroscope. Es dient der Forschung und Entwicklung, dem Wissenstransfer sowie der Unterstützung der Pferdezucht und ergänzt die Förderungsmassnahmen für die landwirtschaftliche Pferdehaltung. So wird der Auftrag des Gestüts auf der Website des Bundesamts für Landwirtschaft beschrieben. Von diesem Gesichtspunkt gesehen, macht das Gestüt in der Tat einen guten Job. So stellt es rund um den Freiberger auch Daten zur Verfügung, die sich andere Zuchtverbände aus den eigenen Fingern saugen müssen. Die Freibergerrasse hat mit dem Nationalgestüt eine gigantische Institution zur Seite, wie sie in der Tierzuchtlandschaft schweizweit einzigartig ist.

 

Mit tauben Ohren selektiert

Der heutige Bundesrat Albert Rösti hat in seiner früheren Funktion als Präsident des Freibergverbands die Stutenprämien «gerettet». Das wird ihm wohl die gesamte Freibergerszene noch lange verdanken. Mindestens einmal vier Jahre. Aber dazu kommen wir später. Diese Stutenprämien werden zwar weiter und vollumfänglich ausbezahlt, sie sind aber auch an Bedingungen geknüpft. Eine ist, dass der Inzuchtgrad des Nachkommens 10 Prozent nicht überschreitet. Den Schweizerischen Freibergerverband scheint das wenig zu kümmern. Er selektiert in Glovelier einen Hengst mit 10,02 Prozent. Dass genau in solchen Momenten die Gestütsmitarbeiter denken mögen, man höre ihnen nicht zu, wird nachvollziehbar.

 

Die Zeit wird knapp

Man kann diese Zahlen alle als unnötig empfinden und das Gestüt als überflüssig, weil es keine Festwirtschaft betreibt. Wenn man aber in einer kleinen Population Bundeszahlungen für den Erhalt einer Rasse auslösen will, die an Inzucht und Verwandtschaft geknüpft sind, muss man sich nach der Verordnung richten, an welcher diese Zahlungen sich orientieren. In dieser Verordnung steht übrigens auch, dass das Nationalgestüt die genetische Vielfalt der Freibergerrasse fördert. Werden Verwandtschafts- und Inzuchtgrad grösser, leidet die genetische Vielfalt. In vier Jahren muss der Freibergerverband den Nachweis erbringen, dass die Rasse sich nach wie vor in «kritischen Zustand» befindet, sollen weiterhin 500 Franken auf das Konto der Stutenbesitzer fliessen. Geht es so weiter, könnte die Situation um die Vielfalt (beispielsweise Hengstlinien) noch kritischer werden, und zwar aus hausgemachten Gründen wie mangelnder Kommunikation. Spätestens dann wird sich der Bund die Frage stellen, ob die 10 Millionen Franken für den Freiberger womöglich ihr Ziel verfehlen. Es bleibt also wenig Zeit, sich beim Verband, bei der Züchterschaft und beim Bund darüber zu unterhalten, ob man Gräben tiefer machen will oder allenfalls die ehrliche Kommunikation zielführender vorantreiben mag. Eines ist klar, Albert Rösti wird nicht mehr helfen können.

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